PrinzMurmel
    (Schlachtenschreck)  
.                         . .     .

www.kaltenpoth.de

Wie alles begann

Der Prinz gab das Signal: „Brechen wir auf!“
Die Pferde setzten sich in Bewegung, fielen sogleich in leichten Galopp. Die Sonne begann eben, sich hinter den nahegelegenen Wäldern über den Horizont zu heben, die Luft war klar und frisch, von den taubenetzten Wiesen stieg feiner Dampf auf, ein wunderbarer Morgen. Auf den Köpfen der Rösser wippten fröhlich die bauschigen, schwarz-weißen Federbüsche, erhaben wehte über ihren eigenen die Standarte, die der Leutnant fest in seinem Steigbügel verankert hielt. Die drei Reiter näherten sich rasch, doch ohne Hast dem unter freiem Himmel aufgebauten Verhandlungstisch, der für das Treffen genau zwischen der Burg und dem prinzlichen Lager errichtet worden war.

Aus der Ferne konnten sie erkennen, wie von den wuchtigen grauen Mauern her auch die andere Partei sich näherte. Prinz Murmel war voll gespannter Erwartung. Er hatte gehört, daß die feindliche Befehlshaberin eine junge Frau war, beliebt bei ihren Leuten, geschickt im diplomatischen Umgang, und auch in der Kriegskunst versiert. Nicht, daß er sich ernsthafte Sorgen machte. Die Festung war mächtig, zweifellos. Doch das Heer, das er auf dieses Feld geführt hatte, war das stärkste, das dieses Land in Jahrzehnten gesehen hatte. Rund um die Burg breitete sich ein unüberschaubares Geflecht von Zelten, Feuerstellen, Werkstätten aus. Da standen Maschinen zum Graben von Fallgruben vor den Burgtoren, Spezialkessel, um den Feind mit flüssigem Wachs zu übergießen, und die gefürchteten Werfer für sauren Rübensaft. In den Zelten lagerten diverse Geheimwaffen: Bodenfliesen, die, als Schokoladentafeln getarnt, in die Burg geschmuggelt wurden, Bungeejumping-Seile, die im entscheidenden Moment nachgaben, führerlose Heißluftballone oder Betonkugeln, die bemalt wie Fußbälle vor die Tore gelegt wurden.

Der Prinz hoffte, der ganzen Sache ein rasches Ende bereiten zu können, am besten durch Übergabe der Festung ohne langen, mühsamen Kampf. War seine Kontrahentin so klug, wie behauptet wurde, konnte er sie vielleicht davon überzeugen, daß Widerstand zwecklos war. Falls nicht... nun, er war für den Kampf gewappnet!
Im Nu hatten sie die kurze Strecke zwischen Lager und Treffpunkt überwunden. Gleichzeitig sprangen beide Parteien von ihren Pferden. Der Leutnant bleib einige Schritte zurück bei ihren Pferden, und der Prinz trat mit seinem Marschall Peppikatz an den schweren hölzernen Tisch, den auf jeder Seite zwei Feldstühle ergänzten. Ihm gegenüber erwartete sie eine in leichte Rüstung gekleidete, liebreizende junge Frau mit entschlossenem Blick, neben sich einen ihrer Generale.
Einen Moment lang standen sie sich zu viert gegenüber und musterten einander, niemand sprach ein Wort. Schließlich verneigte sich der Prinz: „Seid gegrüßt! Setzen wir uns doch.“ Und er faßte die Lehne eines der Stühle.
Doch seine Kontrahentin entgegnete: „Danke, aber wir ziehen es vor zu stehen. Sagt, was Ihr zu sagen habt, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“
„Oh“, stutzte er. Das würde schwierig werden, sehr schwierig, er hatte es befürchtet! Nun gut. Der Prinz legte unbeirrt die Lage dar, wie sie sich aus seiner Sicht darstellte, und empfahl schließlich eine Übergabe der Burg, um den unausweichlichen Ausgang der Konfrontation nicht unnötig lang hinauszuzögern.

Sie hörte sich seinen Vortrag ruhig an. Gelegentlich spielte ein amüsiertes Lächeln um ihre Lippen. Am Ende entgenete sie: „Meint Ihr, Prinz, wir wüßten uns nicht zu wehren? Was für unüberwindliche Mittel besitzt Ihr, daß Ihr so absolut siegessicher seid? Ihr beeindruckt mich bisher nicht sonderlich.“
„So.“ Prinz Murmel kicherte leise. „Ich kann Euch natürlich nochmals befragen, sobald ich Euch als Larve verkleidet in den Fischteich geschubst habe.“
„Wie originell“, grinste es ihm frech entgegen. „Ich beschmiere Euch vollständig mit Honig und stecke Euch kopfüber in einen Termitenhügel!“
„Huch?“ Der Prinz stutzte. Damit hatte er nicht gerechnet. Aber er faßte sich rasch: „Wie würde es Euch bekommen, auf Rollschuhen die Treppe Eures Hauptturms hinuntergeschubst zu werden, hm?“
Sie blieb gelassen: „Ich möchte Euer Gesicht sehen, habt Ihr erst eine Ladung von meinem besten Sekundenkleber im Ohr!“
Der Prinz war verblüfft. „Diese Frau ist ausnehmend perfide!“ raunte er dem Marschall zu. Dann, wieder zu ihr gewandt: „Also schön, was sagt Ihr, wenn ich einfach in der hiesigen Zeitung einen kompletten Inventarverkauf Eurer Burg inseriere, und zwar für morgens früh um 6 Uhr, hm?“
„Das macht mir wenig“, erwiderte sie fröhlich. „Ich werde dafür in Eure sämtlichen Waschmittelbestände ein wenig Betonpulver mischen lassen. Wie das wohl Eure Wäsche verträgt!“

„Beeindruckend“, murmelte der Prinz. Und dachte angestrengt nach, sie dabei eingehend musternd. Hm. Sie gefiel ihm. Warum eigentlich sollten sie Feinde sein? Wo sie doch anscheinend beide überaus gute Ideen hatten, wie sie mit ihren Feinden umgehen konnten...
Er überlegte nur noch einen winzigen Moment länger, dann hatte er sich entschlossen. Er verneigte sich erneut, bot ihr die Hand dar und sprach: „Ihr seid wahrhaft außergewöhnlich! Erweist mir die Ehre, Euch als meine Prinzessin zu betrachten, und laßt uns fürderhin Seite an Seite in die Schlachten ziehen!“
Sie hob ein wenig überrascht die Augenbrauen. Doch gleichzeitig wandelte sich ihr freches Lächeln in ein eher geschmeicheltes. Und sie entgegnete: „Prinz, ich hoffe, dies ist nicht nur eine Finte. Ansonsten muß ich zugeben, daß mir dieses Ansinnen durchaus überdenkenswert erscheint. Nun, es sei so, laßt uns diesen Pakt schließen!“ Damit reichte auch sie ihm ihre Hand zum gemeinsamen Schlachtenbund.

Seit dem Tag zogen sie, weit und breit von Freunden geachtet, von Feinden gefürchtet, sich gegenseitig zur Seite stehend, in so manche Schlacht. Nur ganz selten lieferten sie sich selbst das eine oder andere Scharmützel - natürlich ausschließlich zu Übungszwecken! Und wenn sie ihre Accounts nicht gelöscht haben, schlachten sie noch heute...
:o)
 
 


Der Murmelprinz auf einem seiner Feldzüge (hier in der Wüste,
wo ihn mal wieder jemand zum Staubsaugen hingeschickt hatte)

.     . .                         .